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Homöopathie

Die (Klassische) Homöopathie ist der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung ein Begriff. 94 % wissen, dass es homöopathische Arzneimittel gibt, 60 % haben auch Erfahrungen damit. Jährlich beträgt der Apothekenumsatz mit verordneten Homöopathika in Deutschland über 76.000.000 Euro. Wir stellen diese beliebte und gleichzeitig effektive alternative Heilmethode vor.

Was ist Homöopathie?

Die Homöopathie ist eine Heilmethode, die auf den Prinzipien Samuel Hahnemanns basiert, der sie Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte. Das zentrale Konzept lautet „Heile Ähnliches mit Ähnlichem“, was bedeutet, dass Substanzen, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome hervorrufen, ähnliche Symptome bei Kranken lindern sollen. Die Behandlung beginnt mit einer detaillierten Anamnese des Patienten, um seine individuellen Symptome und seine Konstitution zu verstehen. Danach werden die für ihn passenden homöopathischen Mittel ermittelt. Die Substanzen werden stark verdünnt, was Potenzierung genannt wird, und sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers anregen. Homöopathische Mittel werden in Form von Tropfen, Tabletten oder Globuli verabreicht.

Wer war Samuel Hahnemann (1755-1843)?

Als Sohn eines Porzellanmalers bekam er ein Stipendium an der Fürstenschule St. Afra. 1775 begann er sein Medizinstudium in Leipzig. 1777 erhielt er in Wien ein Jahr von Prof. Freiherr von Quarin Unterricht am Krankenbett und bei Visiten. Ende des Jahres wurde er Hauslehrer und Leibarzt von Freiherr von Brukenthal. 1779 schloss Hahnemann sein Medizinstudium in Erlangen mit Promotion ab. In den folgenden Jahren praktizierte er als Arzt und Schriftsteller. Sein Werk „Über die Weinprobe auf Eisen und Blei“ (1788) machte ihn berühmt. Einige Umzüge später wurde Hahnemann in die „Churfürstlich Mayntzische Academie nützlicher Wissenschaften“ aufgenommen und Mitglied der „Gelehrtenakademie Leopoldina“. 1796 schrieb er über sein neu entdecktes Prinzip, „Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen“ und belegte dies mit einer Reihe empirischer Beobachtungen. Ab 1803 behandelte er homöopathisch. Sieben Jahre später veröffentlichte er sein Grundlagenwerk zur Homöopathie, „Organon der rationellen Heilkunde“, später „Organon der Heilkunst“. Weitere Publikationen folgten. Hahnemann erhielt 1812 in Leipzig die Lehrbefugnis der Universität, hatte viele Schüler und Fans, seine Vorlesungen waren stets voll. Seine Praxis lief gut, bedeutende Persönlichkeiten ließen sich von ihm behandeln. 1821 wurde Hahnemann Herzoglicher Leibarzt in Köthen, wo er seine Arzneien selbst herstellen durfte. Als 79-Jähriger zog er nach Paris, wo er zahlreiche Prominente heilte. Nach seinem Tod wurde Hahnemann Ehrenbürger der Stadt Meißen, zahlreiche Denkmäler weltweit erinnern an den großen Mann der Homöopathie.

Grundprinzipien der Homöopathie

Die Homöopathie basiert auf zwei wesentlichen Prinzipien: dem Reiz- und Regulationsprinzip sowie dem Ähnlichkeitsprinzip. Diese Grundsätze bilden seit der Entstehung der Homöopathie das Fundament dieser Heilmethode.

  • Reiz- und Regulationsprinzip: In der Homöopathie wird der Mensch als ein ganzheitliches und individuelles System betrachtet, das bei Krankheit aus dem Gleichgewicht geraten ist. Nach den Erfahrungen homöopathischer Ärzte und Heilpraktikern kann das System durch homöopathische Reize reguliert und zurück ins Gleichgewicht gebracht werden. Es geht darum, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren, um eine Heilung aus eigener Kraft zu ermöglichen.
  • Ähnlichkeitsprinzip: Dieses Prinzip besagt, dass eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome auslöst, in der Lage ist, ähnliche Symptome bei einem Kranken zu heilen. Der Leitsatz lautet „similia similibus curentur“.

Was sind homöopathische Potenzen?

Die Potenzierung ist ein charakteristisches Merkmal homöopathischer Mittel und beschreibt die Verarbeitung der Ausgangssubstanz während der Herstellung. Im Potenzierungsschritt wird die Substanz gemäß festgelegten Vorgaben verdünnt und zehnmal manuell verschüttelt. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis die gewünschte Potenzstufe erreicht ist. Um z.B. D6 (D = Dezimal) zu erzielen, wird die Ausgangssubstanz sechsmal im Verhältnis 1:10 verdünnt und nach jedem Verdünnungsschritt verschüttelt. Obwohl die Konzentration der Ausgangssubstanz mit jedem Schritt abnimmt, wird nach homöopathischem Verständnis die Wirksamkeit des Mittels gesteigert.

Arzneimittelprüfung

Die Arzneimittelprüfung bildet das Fundament für das Wissen über homöopathische Mittel. Die meisten homöopathischen Präparate wurden an gesunden Menschen getestet, auch im Rahmen von Doppelblindstudien. Alle Symptome, die Probanden bei der Einnahme der Substanz beobachten, werden dokumentiert. Diese Prüfungen sind beliebig oft wiederholbar und führen stets zu denselben Ergebnissen. Die Gesamtheit der auftretenden Symptome sowie die aus der Toxikologie bekannten Vergiftungssymptome ergeben das Arzneimittelbild und werden in der „Materia medica“ festgehalten. Dort kann nachgelesen werden, welche Symptome eine Substanz bei einem gesunden Menschen hervorrufen und gegen welche Beschwerden sie eingesetzt werden kann. Was die Herkunft der homöopathischen Mittel betrifft, waren Hahnemann und seine Nachfolger sehr kreativ. Verwendet werden verschiedene Rohstoffe wie Pflanzen, Mineralien oder tierische Produkte. Homöopathische Mittel werden auch aus allopathischen Arzneien, Körperabsonderungen oder krankem Gewebe hergestellt, diese werden als „Nosoden“ bezeichnet.

Wie viele homöopathische Mittel gibt es?

Es gibt weltweit eine Vielzahl homöopathischer Mittel, die von über 100 Unternehmen produziert werden. Die genaue Anzahl ist unbekannt, da ständig neue Mittel entwickelt werden. Diese umfassen eine breite Palette von Substanzen, die in verschiedenen Potenzen und Kombinationen angeboten werden, um eine Vielzahl von Beschwerden behandeln zu können. Zu den bekanntesten homöopathischen Mitteln zählen:

  • Calendula officinalis: zur Wundheilung und bei Hautirritationen
  • Chamomilla: bei Zahnschmerzen und kindlicher Unruhe
  • Pulsatilla: bei Erkältungen und emotionalem Ungleichgewicht
  • Sulfur: bei Hautproblemen und chronischen Entzündungen
  • Arnica montana: bei Prellungen und Muskelkater
  • Belladonna: bei Fieber und akuten Entzündungen
  • Nux vomica: bei Verdauungsproblemen und Stresssymptomen
  • Apis mellifica: bei Insektenstichen und allergischen Reaktionen
  • Rhus toxicodendron: bei Gelenkschmerzen und Hautausschlägen

Alle homöopathischen Mittel sind in verschiedenen Potenzen erhältlich und werden je nach den vorherrschenden Symptomen ausgewählt.

Indikationen

Die Indikationsliste der Homöopathie umfasst eine Vielzahl von Beschwerden und Erkrankungen, u.a.:

  • Allergien
  • Angststörungen
  • Arthrose
  • Asthma
  • Chronisches Erschöpfungssyndrom
  • Chronischer Schmerz
  • Long-Covid
  • Erkrankungen des Bewegungsapparates
  • Heuschnupfen
  • Hitzewallungen
  • Hoher Cholesterinspiegel
  • Karpaltunnelsyndrom
  • Konzentrationsstörungen
  • Menstruationsstörungen
  • Migräne
  • Psychosomatische Beschwerden
  • Schlafstörungen
  • Schwangerschaftsbeschwerden
  • Übelkeit
  • Wechseljahresbeschwerden
  • Zahnschmerzen

Homöopathischer Heilungsverlauf

Die Heilung folgt festen Prinzipien und verläuft vom Inneren nach außen. Zunächst verspürt der Patient eine allgemeine Besserung, bevor sich spezifische Beschwerden lindern. Typische Reaktionen auf homöopathische Mittel sind vermehrtes Wasserlassen, starkes Schwitzen oder leichtes Fieber, was als Entlastung des Organismus gilt. Der Patient kann den Heilungsprozess unterstützen, indem er seine Symptome aufmerksam beobachtet. Nach Einnahme des Mittels kann es zu einer Erstverschlimmerung kommen, bei der sich bestehende Beschwerden vorübergehend verstärken. Dies ist ein positives Zeichen und nur von kurzer Dauer, gefolgt von einer deutlichen Besserung. Während einer längeren homöopathischen Therapie können alte Symptome wieder auftreten, der Patient durchläuft gewissermaßen die Reise seiner Krankheiten rückwärts. Das Auftreten einer Erstreaktion ist erwünscht und sollte nicht behandelt werden.

Homöopathische Geburtsbegleiter

Um den Geburtsprozess zu erleichtern, werden häufig homöopathische Mittel eingesetzt. Aconitum dämpft schmerzhafte Wehen und befeuchtet trockene Schleimhäute, während Arnica montana bei Unwohlsein und übermäßigen Blutungen hilft. Cantharis erleichtert das Ablösen der Plazenta, Chamomilla beruhigt gereizte Patientinnen kurz vor der Geburt, Cimicifuga wirkt depressiven Gefühlen entgegen. Gelsemium unterstützt ängstliche Frauen, Kalium carbonicum beruhigt starke Rückenschmerzen.

Akute vs. chronische Krankheiten aus homöopathischer Sicht

Die Homöopathie umfasst verschiedene Lehren, darunter die Unterdrückungslehre, die Behandlung von Lokalbeschwerden sowie psychische und emotionale Erkrankungen. Besonders relevant ist die Miasmenlehre, die sich mit chronischen Krankheiten beschäftigt. In der Praxis wird zwischen der Behandlung akuter und chronischer Krankheiten unterschieden. Aus homöopathischer Sicht sind akute Krankheiten vorübergehende Episoden, die ohne therapeutische Intervention von selbst abklingen. Chronische Krankheiten heilen nach homöopathischem Verständnis nicht von selbst aus. Der Körper kann sie lediglich an eine weniger kritische Stelle hin verlagern. Diese Erkrankungen haben stets einen genetischen Hintergrund. Für die Behandlung chronischer Krankheiten sind umfassendere Informationen erforderlich als bei akuten Krankheiten. Neben den aktuellen Beschwerden sind auch vergangene Erkrankungen und die familiäre Krankheitsgeschichte wichtig, um ein vollständiges Bild des Patienten zu erhalten.

Risiken der Homöopathie

Obwohl die Homöopathie als sanfte und nebenwirkungsfreie Therapie gilt, gibt es dennoch einige potenzielle Risiken. Eine der größten Gefahren besteht, dass Patienten ernsthafte Erkrankungen nur mit Homöopathie behandeln und notwendige medizinische Behandlungen verzögert oder vermieden werden, was zu einer Verschlimmerung der Symptomatik führen kann. Die Wirkung homöopathischer Mittel wird von Kritikern oft auf den Placebo-Effekt zurückgeführt. Patienten könnten glauben, dass sie behandelt werden, obwohl keine wirksame Substanz verabreicht wird. Dass keine schulmedizinischen Studien über die Effektivität der Homöopathie existieren, spielt anderen Kritikern in die Karten. Sie sehen die Gefahr, dass sich Patienten auf eine Therapie verlassen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist. Zudem können homöopathische Behandlungen kostspielig sein, insbesondere wenn sie über längere Zeiträume durchgeführt werden. Dennoch ist die Homöopathie überaus beliebt bei Deutschen, da sie für erstaunliche Heilverläufe sorgt.

Wie viele Homöopathen gibt es in Deutschland?

In Deutschland haben über 7.000 Ärzte die Zusatzqualifikation „Homöopathie“. Der Begriff ist geschützt und wird erst nach berufsbegleitender Ausbildung sowie Prüfung durch die Landesärztekammer verliehen. Dies stellt sicher, dass ein Arzt über das theoretische und praktische Wissen verfügt, um homöopathische Behandlungen durchzuführen. Um diese Qualifikation zu erlangen, müssen ein abgeschlossenes Medizinstudium und die Anerkennung als Facharzt vorliegen. Auch viele der in Deutschland tätigen Heilpraktiker (ca. 15.000 laut Bundesstatistikamt Stand 2018) arbeiten homöopathisch. Sie müssen dafür eine Fachausbildung absolvieren und die Grundgesetze der Homöopathie in Theorie und Praxis beherrschen.

Übernehmen Krankenkassen die Kosten für Homöopathie?

Die Erstellung einer homöopathischen Anamnese sowie homöopathische Arzneimittel (Ausnahme: für Kinder unter 12 Jahren) sind keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Private Krankenkassen übernehmen sowohl die Kosten für die homöopathische Anamnese wie auch für die Arzneimittel.

Bedeutende Zitate von Samuel Hahnemann

„Man ahme der Natur nach, welche zuweilen eine chronische Krankheit durch eine andre hinzukommende heilt, und wende in der zu heilenden (vorzüglich chronischen) Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andere, möglichst ähnliche, künstliche Krankheit zu erregen im Stande ist, und jene wird geheilt werden; Similia similibus.“

„Das Leben des Menschen, so wie sein zweifacher Zustand (Gesundheit und Krankheit), lässt sich nach keinen, bei Erklärung anderer Gegenstände gebräuchlichen Grundsätzen erklären, lässt sich mit nichts in der Welt vergleichen, als mit sich selbst.“

Abbas Schirmohammadi
Heilpraktiker für Psychotherapie

Kian Schirmohammadi
Heilpraktiker