Frauenmantel

Jede Pflanzenfamilie hat Themen, die sie durch ihre Signatur ausdrückt und für die sie auch heilsam ist bei körperlichen und seelischen Problemen der Menschen. Rosengewächse können auf vielfältige Weise zur Heilung bei Beziehungsthemen, Liebesangelegenheiten und Fragen der Sexualität beitragen – sei es in der Pubertät, beim Finden eines Partners, beim Ablösungsprozess von den Eltern und der Entwicklung eines eigenen Selbst, oder auch im Umgang mit Enttäuschungen, Liebeskummer, Trauer und dem Spannungsfeld zwischen Nähe und dem Erhalt der eigenen Identität. Die Vertreter der Rosengewächse neigen dazu, die Liebe zu sehr zu idealisieren, spüren bei Liebeskummer, Trennungen und Zurückweisungen einen emotionalen Druck auf ihrem Herzen und bekommen Beschwerden mit Herz oder Lunge. Doch nicht nur das Herz als unser emotionales Zentrum ist bei Beziehungsthemen betroffen, auch auf das hormonelle System haben diese Emotionen Einfluss.Es ist vor allem der Frauenmantel, der hier eine große Heilkraft besitzt.
Der Frauenmantel war der keltischen Göttin Brigid, der Venus und der germanischen Göttin Freya geweiht und seit der Christianisierung der Gottesmutter Maria. Der Name „Frauenmantel“ geht auf ihre mantelförmigen Blätter, die auch mit dem Mantel der Gottesmutter verglichen wurden, und auf ihre Verwendung in der Frauenheilkunde zurück. „Alchemilla“ leitet sich vom arabischen“al-kimyja“ ab, was die Kunst des Legierens bezeichnet und sich auf ihre Verwendung bei den Alchemisten bezieht. Diese nutzten die Tautropfen des Frauenmantels in dem Bestreben, den Stein der Weisen zu erschaffen – jenes legendäre Mittel, das Gold erzeugen und Unsterblichkeit verleihen sollte, wie es spätestens seit Harry Potter weithin bekannt ist. Der Zusatz vulgaris bedeutet ‚gewöhnlich‘ oder ‚allgemein‘ und verweist auf die weite Verbreitung und Nutzung der Pflanze. Xanthochlora leitet sich aus dem Griechischen ab: xanthos bedeutet ‚gelblich‘ und chloros ‚gelbgrün‘ – eine Anspielung auf die charakteristische Färbung. Andere Namen des Frauenmantels sind Alchemistenkraut, Wasserkelchblume, Aller Frauen Heil, Tränenschön, Taubecher, Himmelstau oder Weiberkittel. Auch mit „Sintau“ oder „Sinau“ wurde der Frauenmantel bezeichnet, was sich vom althochdeutschen „sin“ =immer ableitet und den Frauenmantel als „immer Tau habende“ Pflanze erkennt. Ein weiterer Name ist „Ohmkraut“ vom althochdeutschen „ohm“= entzündete Hautstelle und verweist auf seine schon sehr lange, traditionelle Verwendung bei Wunden, Geschwüren und Hautauschlägen hin.
Frauenmantel wurde schon von Dioskurides vor 2000 Jahren gegen innere und äußere Wunden und Knochenbrüche verwendet. Im Mittelalter wurde er zum ersten Mal 1485 erwähnt. Auch Paracelsus und Hieronymus Bock lobten seine wundheilenden Eigenschaften. Im Volksglauben galt der Frauenmantel als Schönheits- und Liebesmittel, dessen Tautropfen man auf das Gesicht auftrug, um Sommersprossen zu vertreiben und auf die Brust, um sie nach dem Stillen wieder zu straffen. Bäder mit Frauenmantelextrakt sollten auch die Jungfräulichkeit wiederherstellen und das Hymen wieder wachsen lassen. In den Alpen trinken die Alten noch heute den Frauenmanteltee, um in der Liebe fit zu sein.

Wenn wir uns den Frauenmantel genauer ansehen springen vor allem seine Blätter ins Auge. Es gibt kaum eine Pflanze, die so schöne Blätter hat wie der Frauenmantel. Andere Rosengewächse haben ihr Hauptaugenmerk auf die Blüte gerichtet wie die Rose, oder die Früchte wie Erdbeere oder Himbeere, oder auf die Wurzel wie die Blutwurz. Die fein behaarten Blätter, die erst mantelförmig gefaltet sind, öffnen sich wie ein Kelch oder Becher, der empfangend nach oben geöffnet ist und in der Mitte einen silbernen Tautropfen hervorbringt. Mit welchem Organ ließe sich hier besser ein Vergleich anstellen als mit der Gebärmutter. Die Blattränder sind fein gezackt. Die Pflanze nimmt über ihre Wurzeln Wasser aus der Erde auf, pumpt es in die Blätter, reinigt und filtriert es in sich und bringt es über kleinste Gänge im Innern der Blätter, den sogenannten „Hydathoden“ zu den Blatträndern, wo es durch kleine Spalten ausgeschwitzt wird und sich als kleine Perlen, den sogenannten Guttationstropfen an den Blattzacken sammelt, um in der Mitte des Blattes zu einem großen silbrigen Tautropfen zusammenzulaufen. Der Frauenmantel ist eine Pflanze, die sich ständig selber reinigt, durchspült und schwitzt. Was liegt näher als seine Heilkraft in dieser Hinsicht bei Beschwerden der Frauen in den Wechseljahren zu erkennen, denen die Möglichkeit zur Reinigung jeden Monat über die Regelblutung fehlt und die dafür schwitzen.
Auch das Hervorbringen des silbernen Tautropfens aus dem Wasser der Erde erinnert in seiner Signatur an einen wichtigen Teil des Frauseins, das Gebären, das Hervorbringen von neuem Leben in der Gebärmutter. So ist der Frauenmantel die wichtigste Pflanze bei unerfülltem Kinderwunsch, Beschwerden in der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Wochenbett und in der Zeit des Stillens. Seine Blüten sind sternförmig und gelb-grünlich und geben dem Gesamteindruck der Pflanze eine sehr harmonische Ausstrahlung. Frauenmantel zählt zu den Selbstbestäubern, der sich mit sich selber paart und eine sogenannte Jungfernzeugung vollzieht. Beim Öffnen der Pflanze sind bereits mehrzellige Embryonen vorhanden.
Frauenmantel kommt auf der gesamten nördlichen Halbkugel vor und wächst gerne auf nährstoffreichen, feuchten Fettwiesen, in lichten Wäldern oder unter Gebüschen. Medizinisch wird außer der Alchemilla vulgaris auch der Silbermantel, Alchemilla alpina, verwendet, der in höheren Lagen der Alpen ab 1500 m wächst und die wilde Schwester des gewöhnlichen Frauenmantels ist. Er besitzt noch stärkere Heilkraft und enthält noch mehr Bitterstoffe als Alchemilla vulgaris. Neben den Bitterstoffen, sind es vor allem Gerbstoffe, Flavonoide, Karotinoide, Saponine, ätherisches Öl, Kieselsäure, Eisen und Salicylsäure, die die Heilkraft des Frauenmantels ausmachen. Man sammelt das blühende Kraut ab Mai.
Der Frauenmantel wirkt durch seinen hohen Gehalt an Gerbstoffen zusammenziehend, was vor allem in der Wundheilung und bei Durchfallerkrankungen von großem Wert ist. In der rationalen Phytotherapie ist seine Wirkung nur auf diesem Gebiet anerkannt, da die Mechanismen seiner Wirkung im Bereich Frauenheilkunde noch zu wenig erforscht sind. Doch die Erfahrung zeigt, dass der Frauenmantel in der Lage ist bei allen Beschwerden rund um das „Frausein“ zu helfen, Hormone auszugleichen, die Gebärmutter zu kräftigen und die Leibesfrucht zu bewahren. Er wirkt blutstillend, entzündungshemmend, bakterienhemmend, menstruationsregulierend, wundheilend und fördert die Milchbildung. Durch seine Gestagen fördernde und Gelbkörper stimulierende Wirkung ist er eine wichtige Pflanze bei unerfülltem Kinderwunsch, Neigung zu Fehlgeburten, unregelmäßigem Zyklus und Beschwerden an den Tagen vor den Tagen, dem PMS-Syndrom.
Durch sein Wesen schenkt er Frauen das Gefühl umhüllt und geschützt zu sein, die Weichheit einer Frau anzunehmen, Freude an der Weiblichkeit zu empfinden und weniger gereizt und genervt zu sein. Gerade für Frauen, die mütterliche Wärme in ihrer Kindheit nicht erfahren haben und viel für andere da sind ist er eine wichtige Pflanze um zu erkennen, dass man selbst behütet und geschützt ist, Verantwortung abgeben darf und sich fallen lassen kann. Frauenmantel wirkt krampflösend und vermag Gewebe zu festigen, sowohl die Muskulatur (die Gebärmutter besteht aus Muskelgewebe) als auch Bänder und Bindegewebe und wird deshalb auch zur Vorbeugung von Leistenbrüchen empfohlen. Er wirkt blutungsregulierend und krampflösend und kann deshalb auch bei Dysmenorrhoe eingesetzt werden. Durch seine Gerbstoffe schützt sich der Frauenmantel vor Fäulnis und Schimmel und kann auch uns helfen Fäulnisprozesse im Darm zu reduzieren. Auch für die Lymphe und unser Abwehrsystem ist der Frauenmantel heilsam und sollte in keinem Lymphtee fehlen. Äußerlich sind Umschläge mit gequetschten Frauenmantelblättern das beste Mittel bei Nagelbetteiterungen und bei Akne in der Pubertät sollte er zusammen mit Stiefmütterchen als Tee getrunken werden. So begleitet uns der Frauenmantel unser Leben lang heilend und wohltuend und unterstützt uns dabei unser Frausein freudig anzunehmen und zu genießen.
Sabine Rosner
Heilpraktikerin